PATIENTENBEISPIEL 2
Ein 45-jähriger Mann wurde vom Kardiologen aufgrund des schwer einstellbaren hohen Blutdrucks geschickt. Seit drei Monaten schon war dieser Mann arbeitsunfähig und er bestand fast nur noch aus Angst. Das Blutdruckmessgerät wurde zum ständigen Begleiter. Zigmal schon musste der Notarzt kommen. Der Mann stand kurz davor zu kündigen, weil er Sorge hatte, den Ansprüchen nicht mehr gerecht zu werden. Er ist ein getrennt lebender Vater, der seine Tochter liebt. Insgesamt wirklich eine existenziell bedrohliche Situation, welche zunächst Entlastung und Beruhigung brauchte. Männer zu begleiten, kann zunächst bedeuten, tiefenpsychologisch zu denken und dennoch alltagsorientiert zu handeln. Ein offenes Gespräch mit dem Arbeitgeber, ein gemeinsamer Plan mit dem Kardiologen brachte Klarheit und Beruhigung in die Szene. Das Blutdruckmessgerät verschwand zugunsten von tieferem Fühlen, Kontakt zu Freunden, Erweiterung seiner mentalen Präkonzepte, der stärkeren Achtsamkeit sich selbst gegenüber, dem Erlernen von Entspannungstechniken, der Begeisterung für Bewegung durch einen guten „Sportmentor“. Und es wuchs langsam die Idee, die eigene Komfort- und Angstzone möglicherweise doch verlassen zu können. Eine neue Erfahrungswelt brachte bei dem Patienten die innere Wende. Durch die Therapie ermutigt und im Erkennen seiner inneren bisher hinderlichen Muster, wagte er mit einer Trekkingreise nach Nepal die Überschreitung seiner eigenen Grenzen. Dieses Ereignis löste bei mir ein inneres Gefühl tiefer Berührung aus. Es ist der Moment der spürbaren Erkenntnis, dass sich ein Mensch geweitet hat und neue Räume betritt. Unfassbar, fassbar!